Reisen mit Sinnen
13.12.2021

Achtsamkeit und Entschleunigung in Usbekistan

Prof. em. Urs Stähli, 23.09.-09.10.2021

Unser Reisegast Prof. em. Urs Stähli war Ende September und Anfang Oktober in Usbekistan unterwegs. In seinem Reisebericht erzählt er über faszinierende Begegnungen und kulturelle Einblicke.

"Inspiriert durch eine spannende Reise nach Georgien mit REISEN MIT SINNEN lassen wir uns trotz erschwerter Reisebedingungen während der Covid-Pandemie nach mehrmaligem Verschieben gespannt auf das «Abenteuer» Usbekistan ein.
 

Eine usbekische Mitter mit ihrem Kind

Über Istanbul fliegen wir als bloß vierköpfige Reisegruppe direkt ins Ferganatal, wo uns der lokale, sehr gut Deutsch sprechende Reiseführer Zoyir Islamov frühmorgens am Flughafen abholt. Nach einem reichhaltigen Frühstück im lauschigen Innenhof des Hotels und zwei Stunden nachgeholtem Schlaf besuchen wir nacheinander eine Seidenmanufaktur und dann den großen Basar. Die Einwohner*innen nicken uns freundlich zu, wir begegnen stolzen, schönen, gut und sauber gekleideten und selbstbewussten Frauen, und auf einem Spaziergang in einem Vergnügungspark probieren Studentinnen neugierig ihr Schulfranzösisch an uns westlichen Touristen aus. Ältere Frauen hingegen brillieren mit ihrem Goldschmuck, jedoch nicht wie im Westen an Fingern und Armen, sondern in Form von wortwörtlich goldigem Lächeln aufgrund ihrer blitzenden Goldzähne. Den Abend lassen wir im Freien mit einem feinen Abendessen und einheimischem Wein und Bier ausklingen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück fahren wir am nächsten Tag in die Stadt Rishtan und besuchen zuerst eine kleine Keramik-Manufaktur in einem stilvollen hölzernen Privathaus mit dekorativen Lehmwänden. Abgeschlossen wird die interessante Besichtigung und Begegnung bei Tee und kamelförmigen Keksen im lauschigen Garten. Nach dem Mittagessen suchen wir eine kirgisische Familie auf, die Teppiche webt. Beim obligaten Grüntee und süßen Trauben erfahren wir viel über die kirgisische Ethnie und deren Leben als Minderheit in der usbekischen Gesellschaft. Nach einer zweistündigen Auszeit – um das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen und zu verdauen – treffen wir uns alle zu einem vegetarischen Picknick-Abendessen im Hotelgarten, das unser Führer besorgt hat.

Frauen weben bunte Teppiche in Usbekistan
Zwei Frauen in bunten Kleidern auf einem usbekischen Basar

Am vierten Tag unserer Reise besuchen wir zuerst den großen Sonntagsbasar der Stadt Margilan. Unser Reiseführer zeigt uns unter anderem auch die riesigen Aussteuer-Truhen mit Platz für 40 Frauenkleider, die der Bräutigam vor der Hochzeit für seine Braut besorgen muss. Die frisch verheiratete Frau trägt dann ein glitzerndes Diadem und jeden Tag ein neues Kleid und zeigt so ihren neuen Status als Ehefrau an. Besonders aufgefallen sind uns Westlern die mehrfarbigen, teilweise grell-bunten, häufig mit Strass besetzten langen Frauenkleider aus chinesischer Produktion und Schuhmacher mit von Fuß betriebenen, altertümlich anmutenden Nähmaschinen und Messerschleifer, auf uralten Fahrrädern sitzend und gemütlich tretend den Schleifstein bewegend. In der Stadt Kokand besichtigen wir später nacheinander einen imposanten Palast und die moderne Juma-Moschee inklusive ihrer Koranschule. Zum Mittagessen sind wir im Privathaus eines Messerschmieds eingeladen; das Nationalgericht Plov und die Tafeltrauben aus dem Ferganatal munden vorzüglich. Im warmen Abendlicht fahren wir entspannt im bequemen Schnellzug in die Hauptstadt Taschkent.

Nach einem wiederum üppigen Frühstück steigen wir in unseren Kleinbus und besichtigen verschiedene Moscheen und Medresen (Koranschulen), gebaut in rotem Ziegelstein. Auf einem Rundgang durch den Chorsu-Basar entdecken wir neben exotischen Früchten wie indischen Granatäpfeln, riesigen Leberstücken und haarigen Kuhbein-Stummeln etwas für uns absolut Neues: eine hölzerne Baby-Wiege mit einem integrierten Urinabfluss in einen kleinen Plastikeimer! Auf der Fahrt mit der U-Bahn bewundern wir die individuell gestalteten, je einem bestimmten Thema gewidmeten Stationen; die schönste und poetischste davon diejenige mit den Kosmonauten. Ein ausgiebiger Spaziergang durch großzügig-grüne Parkanlagen mit Künstler- und Flohmarkt voll von alten Artefakten aus sowjetischer Zeit führt uns schließlich zur Statue von Amir Timur, dem großen Reiterhelden und Eroberer Usbekistans.

Die Statue des Eroberers Amir Timur in Taschkent

Nach der Tagwache um fünf Uhr fliegen wir nach Urgentsch und fahren gleich weiter nach Chiwa, einer imposanten und pittoresken Oasenstadt. Wie in einem Freilichtmuseum erkunden wir sanft renovierte Moscheen und Medresen und bewundern die drei hohen, mit Kacheln verzierten Türme. Das Mittag- und Abendessen genießen wir jeweils draußen in stimmigen Restaurants innerhalb der hohen Stadtmauern und genehmigen uns schließlich bei einer Vorführung einer Folkloregruppe einen usbekischen Weinbrand als Schlummertrunk.

Heute schlafen wir einmal aus und genießen das Frühstück im Boutique-Hotel direkt an der Stadtmauer. Auf einem Rundgang durch die Stadt besichtigen wir den Sommerpalast des letzten Khans der Provinz Choresien und besuchen danach einen Holzschnitzer und genießen auf einem Rundgang auf der alten Stadtmauer bei milden Temperaturen die Aussicht auf die UNESCO-Welterbe-Stadt im goldenen Abendlicht. Das Tagesprogramm beschließen wir bei einem gemeinsamen Abendessen, begleitet von usbekischem Weiß- und Rotwein draußen vor dem großen Minarett.

Menschen in traditionellen Roben
Zwei Frauen tanzen in traditionellen usbekischen Roben

Das Programm am achten Tag unserer Reise beginnen wir mit einer Radtour entlang der Stadtmauer rund um Chiwa und danach zum lokalen Bauernmarkt. Die Fahrräder haben auch schon bessere Tage gesehen, aber wir haben ja Zeit und gehen es

gemütlich und genussvoll an! Apropos Wetter: Es ist windig und merklich kühler geworden trotz des Sonnenscheins. Nach dem Mittagessen ruhen wir uns aus und vertiefen uns zur Vorbereitung des weiteren Reiseprogramms voll Vorfreude in unsere Reiseführer. Später kaufen wir ein reichhaltiges Dinnerpaket für unsere lange nächtliche Reise durch die Kysylum-Wüste nach Buchara. Wir trinken dann aber nicht nur Tee, doch es verbleiben allemal noch ein paar Stunden Schlaf im Liegewagenabteil des bequemen Zugs aus Sowjet-Zeiten. Den Rest der Nacht verbringen wir dann nach Mitternacht erschütterungsfrei im Boutique-Hotel.

Der nächste Tag ist in Usbekistan der traditionelle «Tag der Lehrer*innen», ein freier Tag, welcher der Stadt Buchara eine Menge inländischer Touristen beschert. Unsere kleine Gruppe erkundet die Altstadt zu Fuß, wir besichtigen neben Moscheen und Medresen auch einige Karawansereien, die zu Hotels mit viel Cachet umgebaut wurden. Gegen Abend sind wir eingeladen ins Atelier und Privathaus eines berühmten Miniaturmalers, der uns in die Lehre des Sufismus – vergleichbar mit dem westlichen Mystizismus – einführt und für uns seine Bilder interpretiert.

 

Zahlreiche Teigringe werden auf einem usbekischen Basar verkauft

Frühmorgens fahren wir zum nahe gelegenen Sommerpalast des letzten Emirs von Buchara, der deutlich frühen russischen Einfluss ausstrahlt. Wir flanieren in der großzügig angelegten Parkanlage, bevor wir – wieder in der Stadt angekommen – den Laden eines Handpuppenmeisters betreten, der uns auch prompt mit einer Vorführung einer seiner kunstvoll gestalteten Puppen begeistert. Wir bewegen uns ja auf der Achse der alten Seidenstraße, und so darf ein Besuch eines Teppichhändlers natürlich nicht fehlen. Der Meister erklärt uns in seinem stilvoll eingerichteten Privathaus die verschiedenen Arbeitsschritte der Herstellung der traditionellen Suzani-Teppiche; seine Tochter spricht gut Englisch und Französisch und kann darum all unsere Fragen direkt beantworten. Der Nachmittag steht uns dann zur freien Verfügung und wir bewegen uns problemlos auf eigene Faust in der übersichtlichen Stadt. Unterwegs werden wir von einer jungen Sprachlehrerin angesprochen, die ihre Schüler*innen ermuntert, ihre noch recht rudimentären Englischkenntnisse bei uns Tourist*innen praktisch anzuwenden.

Heute führt uns die Reise per Minibus über die Pilgerstadt Nurota ins Dorf Asraf in der abgelegenen Gebirgsregion des Nuratau-Nationalparks. Wir werden von der Bevölkerung herzlich empfangen und ein Junge zeigt uns auf einem Spaziergang das Dorf und seine Umgebung. Wir essen bei der Gastfamilie, bevor wir uns in die geschmackvoll eingerichteten einfachen Zimmer zurückziehen und uns unter die dicken Steppdecken kuscheln.

Ein Handpuppenmeister in Buchara gibt eine Vorführung

Am nächsten Tag ist körperliche Bewegung angesagt. Auf einer viereinhalbstündigen Wanderung erklimmen wir verschiedene Berggipfel und belohnen uns zur Mittagszeit mit einem feinen mitgebrachten Picknick. Obwohl die Sonne scheint, ist es hier oben in den Bergen merklich kühler geworden und wir behalten unsere Pullover und Jacken den ganzen Tag über an. Im Laufe des Nachmittags erreichen wir wieder das Dorf und erfahren, dass die früher gepflanzten großen Baumwollfelder auch hier immer mehr durch Fruchtbäume ersetzt werden, da diese viel weniger Wasser benötigen. (In Klammer: Der während der Sowjetzeit noch riesig große Aralsee im Norden Usbekistans ist heute durch die übermäßige Wasserentnahme fast vollständig ausgetrocknet und hat dadurch weite Landstriche versalzen lassen.) Abends wird uns beim Eindunkeln vorgeführt, wie die Frauen des Dorfes das Reisgericht Plov, das wir nachher gemeinsam genießen, im Freien auf dem Feuer kochen. Wir Gäste sind uns einig: Die Unterkünfte und Verköstigung bei Einheimischen bringen uns in Kontakt mit der Bevölkerung und vermitteln viel Lokalkolorit.

Ausgeschlafen machen wir uns auf den Weg nach dem ca. 200 km entfernten, lange ersehnten Höhepunkt unserer Reise: Samarkand, der Perle der islamischen Welt, dem «Rom des Ostens». Wir beziehen unsere Zimmer im gemütlichen Hotel Rabat, dem ehemaligen Privathaus eines jüdischen Händlers mitten in der Stadt. Danach bleibt noch genügend Zeit für eine Besichtigung der Amir Timur-Moschee und einen entspannten Bummel durch das geschäftige Universitätsviertel.

Eine traditionelle Feuerstelle zur Essenszubereitung

Den ganzen folgenden Tag widmen wir den zahlreichen Sehenswürdigkeiten der imposanten Stadt. Die vielen islamisch geprägten Bauwerke und Plätze lassen bei uns Bewunderung für eine alte, nach Abzug der Sowjets im Jahr 1991 wieder erweckte Kultur eines moderaten Islams aufkommen. «Rachmat!» (Danke!) an unseren stets gut gelaunten, geduldigen Reiseleiter, der uns herumführt und uns alles sehr kompetent näherbringt und erklärt.

Heute machen wir zuerst einen halbtägigen Ausflug in eine kleine Gemeinde außerhalb von Samarkand und wandern für ein paar Stunden im und ums Dorf. Auf dem Rückweg machen wir Halt in einer Papiermanufaktur und lernen die verschiedenen Schritte kennen, wie Papier von Hand geschöpft und hergestellt wird. Neben eindrücklichen Sakralbauten gibt es in Samarkand aber auch noch einige interessante Museen: Das Ulug Beg-Mausoleum und das Geschichtsmuseum Afrosiab stillen unseren Wissensdurst und ergänzen und vertiefen die bisher gewonnenen Eindrücke. Mehr für den Genuss der Sinne als gegen den Durst ist die folgende Weinverkostung in einem Weingut angelegt. Nach köstlichen trockenen und süßen Weinen verachten wir zum Schluss – einmal mehr – auch den feinen usbekischen Weinbrand in keiner Weise. Den Abschluss des Tages bildet die Aussicht auf die prachtvollen Moscheen und Koranschulen bei kunstvoller Beleuchtung in der Nacht vom Registan-Platz aus.

Der imposante Registan Platz in Samarkand
Ein goldener Torbogen in einem Mausoleum

Am letzten Tag unserer Reise unternehmen wir einen fakultativen Ausflug in ein 40 Kilometer entferntes Dorf außerhalb Samarkands. Die Familie des Führers empfängt uns und zeigt uns gerne ihr Bauernhaus. Wir wandern durchs Dorf, besuchen die Dorfschule und werden alle spontan zu einer großen Hochzeitsfeier eingeladen und dort fürstlich bewirtet. Dank der Übersetzungsdienste unseres Reiseleiters erfahren wir vieles über lokale Bräuche, Traditionen und die Lebensweise der einheimischen Bevölkerung. 

Im Morgengrauen werden wir auf den Flughafen chauffiert und besteigen, eingelullt von unzähligen Eindrücken und Begegnungen, das Flugzeug zurück nach Zürich.

Fazit: Wer für zweieinhalb Wochen den gewohnten Alltag hinter sich lassen und bewusst auf zentraleuropäische Luxusansprüche verzichten kann und will und im Gegenzug dazu viele Momente und Phasen der Achtsamkeit und Entschleunigung erleben möchte, dem sei eine Reise mit REISEN MIT SINNEN ins gastfreundliche Usbekistan wärmstens empfohlen."

Haben wir bei Ihnen Fernweh geweckt?

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